Tunnelbau Mehr als 250 Bürger kommen zur Auftaktversammlung der Vereinigung – Viele Problemfelder und eine Großchance
Von unserem Redakteur Volker Boch
Oberwesel. Mit großem Engagement und Zuspruch ist die Bürgerinitiative „Oberwesel 22 – Zukunft trotz Bahn“ gestartet. Mehr als 250 Interessierte nahmen am Dienstagabend im Kulturhaus Hütte in Oberwesel an der Auftaktveranstaltung teil. Der erst am Sonntag gebildete Vorstand des Vereins skizzierte dabei die verschiedenen Problemstellungen bezüglich des geplanten Tunnelneubaus der Deutschen Bahn am Mittelrhein. Aber genauso ging es in Oberwesel um Möglichkeiten und Chancen für die gesamte Region.
Die Bürgerinitiative steht erst am Anfang, aber bereits für eine kleine Oberweseler Erfolgsgeschichte: Nur gut eine Woche, nachdem die Idee für dieses gemeinsame Projekt überhaupt geboren worden war, hat es am vergangenen Sonntag die Gründungsversammlung der Initiative gegeben. 17 Gründungsmitglieder wählten dabei einen dreiköpfigen gleichberechtigten Vorstand, der von Harald Steppat und seinen beiden Stellvertretern Erik Zeuner und Jörg Lanius geführt wird. Dass der Verein bei der Auftaktveranstaltung nur zwei Tage danach bereits mit Präsentationen und fundierten Informationen aufwarten konnte, beeindruckte das gut besuchte Plenum.
Unter der Leitung von Moderatorin Heike Zimmer entwickelte sich ein Diskussionsabend abseits von Polemik und Behauptungen. Das Stichwort „geordneter Bürgerprotest“ schwebte unausgesprochen über der Versammlung. „Parteigrenzen spielen überhaupt keine Rolle, es zählt nur das Engagement für Oberwesel“, erklärte Steppat.
Im Kulturhaus war schnell zu erkennen, dass in der Initiative für ein übergeordnetes gemeinsames Ziel gearbeitet wird – für eine Umfahrung von Oberwesel zu kämpfen und als Region Farbe zu bekennen, für die Region und für das Welterbe. „Es kann nicht sein, dass Oberwesel zur Industriebrache der Deutschen Bahn wird“, erklärte Angelika Albrecht, die zu den Gründungsmitgliedern der Initiative gehört. Dass zumindest die Möglichkeit für ein solches Szenario besteht, vermuten die Bürger spätestens seit der Informationsveranstaltung des Arbeitskreises der Deutschen Bahn in St. Goar, die von einigen als „gut inszeniertes Theater“ empfunden wurde.
Die möglichen Auswirkungen eines Tunnels, dessen Portale unmittelbar vor der Stadt errichtet würden, wurden im Rahmen der Veranstaltung anhand von Basisdaten und vorliegenden Erkenntnissen vom Lärm bis hin zu Folgen für den Tourismus eindrucksvoll aufgezeigt. Allein durch die gerade Linienführung eines möglichen Tunnels von St. Goar bis zum Oberweseler Oelsberg ist demnach eine erhebliche Zunahme der Belastung wahrscheinlich, da hier hohe Geschwindigkeiten denkbar sind.
„Es ist unmenschlich, was auf die Stadt zukommen würde, wenn diese Variante gebaut würde“, erklärte Hausherr Anton-Heinrich Hütte, der unter anderem auf eine bedenkliche Feinstaubbelastung für Oberwesel hinwies. Ein weiteres Großthema war die Frage, welche Position die Unesco zum Tunnelprojekt einnimmt, denn Oberwesel gehört mit seinem Stadtbild fest zum Welterbe. „Ich frage mich: Wo bleibt der Aufschrei der Welterbekommission?“, warf Hütte in die Runde. Bislang hat sich weder der beratende Denkmalschutzbeirat der Unesco, Icomos, noch das Pariser Gremium selbst offiziell zu Wort gemeldet.
Die Versammlung blickte auf viele verschiedene Problemfelder, aber sie richtete den Blick vor allem auch nach vorn. Nach der Äußerung von Bahnchef Rüdiger Grube, eine sechste, Oberwesel umgehende Tunnelvariante zu favorisieren, hat sich die Bürgerinitiative schließlich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit der Region für die Umsetzung dieses Ziels zu kämpfen. „Wir haben eine einmalige Chance“, sagte Hermann-Josef Bappert, „wir arbeiten hier für unsere Kindeskinder.“
Die Bürgerinitiative will deshalb auf die Situation in Oberwesel und die Sorgen der Bürger aufmerksam machen. Dabei benötigen die Menschen im Mittelrheintal die Unterstützung der Politik von der Verbands- bis zur Bundesebene. Bei der Auftaktversammlung waren nur wenige politische Vertreter im Plenum zu finden, aber dies dürfte sich angesichts der drängenden Brisanz des Themas ändern.