Rhein-Hunsrück-Zeitung: Tunnelpläne sorgen für kritische Debatte

Bauprojekt Bahn zeigt mögliche Varianten in St. Goar – Vorstoß für Oberweseler Lösung

Von unserem Redakteur Volker Boch

St. Goar. Das Tunnelprojekt der Deutschen Bahn am Mittelrhein hat ein erstes Stoppsignal erreicht. Bei der Bürgerinformation des Arbeitskreises zur notwendigen Erneuerung des Bank-, Bett- und Kammerecktunnels gab es in der St. Goarer Rheinfelshalle neben vielen Informationen vor allem ein klares Bekenntnis vieler Bürger für eine Baumaßnahme, die nicht nur St. Goar entlastet. Die bis dato offensichtlich seitens der Bahn favorisierte „gelbe“ Tunnelvariante vom St. Goarer Gründelbachtal bis zum Oberweseler Oelsberg stieß auf wenig Gegenliebe.

Experte gibt Einblick ins Vorhaben

Jürgen Gunnemann war um seine Rolle in der St. Goarer Rheinfelshalle nicht immer zu beneiden. Der Projektleiter bei der DB ProjektBau erläuterte als Experte für Tunnelbau zunächst den bisherigen Planungsstand und die verschiedenen Varianten einer Umsetzung der notwendigen Sanierungsmaßnahme der alten Bauwerke bei St. Goar. Er sprach auch über die Probebohrungen, die nötig sind, um die geologische Situation zu untersuchen. Immer wieder betonte Gunnemann, dass es ihm darum geht, eine bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden. Fest steht allerdings, dass es bei den drei alten Tunneln bei St. Goar dringenden Handlungsbedarf gibt – die Bahn will und muss 2018 mit einem Bauprojekt starten. Schließlich ist die Substanz von Bank-, Bett- und Kammerecktunnel insbesondere für die zu erwartende deutliche Verkehrszunahme nach der Öffnung des Gotthard-Basistunnels in knapp drei Jahren nicht geeignet.

In der prallvollen Halle folgten die Menschen nicht nur den mündlichen Erläuterungen Gunnemanns, sondern sie ließen sich auch durch erstmals gezeigte Visualisierungen einen Eindruck davon vermitteln, welche optischen Auswirkungen ein neuer Tunnel hat. Den anwesenden Oberweselern wurde damit noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass die „gelbe“ Variante mit einem Portal im Oelsberg unmittelbare Auswirkungen nicht nur auf das Stadtbild hätte. Nicht ohne Grund hatten die Zuhörer Transparente mitgebracht, die ein klares Nein zu dieser Variante ausdrückten. „Ein Tunnelportal am Oelsberg wird es mit uns nicht geben“, erklärte Oberwesels Stadtbürgermeister Jürgen Port. Als Mitglied des Arbeitskreises äußerte er sich sachlich, gab sich angesichts der ernsten Angelegenheit aber äußerst kämpferisch. „Ich kann mich dieser Aussage mit großer Freude anschließen“, erklärte auch St. Goars Stadtchef Walter Mallmann.

In der Halle herrschte bei aller Freude, die es aufgrund einer möglichen deutlichen Entlastung für St. Goar gibt, eine große Solidarität mit den Nachbarn. Allein die Tatsache, dass neben knapp 250 Sitzplätzen nicht nur alle Stehplätze in der Halle, sondern auch jene auf dem Gang vor dem Eingang dicht an dicht belegt waren, verdeutlichte die Brisanz des Themas.

Die Vielfalt der Fragen, die Moderatorin Danuta Kneipp an das Podium weitergab, verdeutlichte, wie umfangreich die Sorgen der Menschen vor Ort sind. Einerseits sind viele Betroffene in St. Goar erst einmal froh, dass es hier bald eine Befreiung von einem Großteil des Lärms geben kann. Andererseits sind nicht nur Anwohner in Biebernheim, sondern auch in Niederburg und Urbar verunsichert, welche geologischen Folgen die Probebohrungen im Fels oder gar ein Tunnelbau haben können.

 

Geologen an Bord – oder nicht?

Ob das geologische Landesamt in diese Fragen tiefer eingebunden ist, konnte auch im Rahmen der Bürgerversammlung nicht geklärt werden. Eine Bahn-Mitarbeiterin erläuterte auf Nachfrage zwar, dass es wegen der geplanten Bohrungen Kontakt mit der Behörde gegeben habe, der Oberweseler Jörg Lanius hielt jedoch dagegen, dass das Landesamt auf Nachfrage keinerlei Einbindung bestätigt habe. Er kann dies auch schriftlich belegen, das Schreiben des Landesamtes liegt unserer Zeitung vor.

„Sie müssen verstehen, dass es hier in der Region ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bahn im Mittelrheintal gibt“, sagte ein Zuhörer aus dem Plenum in Richtung der Mitarbeiter der Bahn, „ich möchte Sie davor schützen, dass es ein St. Goar/Oberwesel 21 gibt.“ Es wurde deutlich, dass die Bürger von der Bahn erwarten, dass mit offenen Karten das anstehende Großprojekt geplant wird.

In St. Goar war die Rede davon, dass es eine „Jahrhundertchance“ für das Tal mit einem möglichst langen Tunnel gäbe. Aus Sicht der Oberweseler kann dies bedeuten, auch ihre Stadt zu umgehen und so eine weltbekannte Ansicht der Rheinromantik zu erhalten. Aus Sicht vieler Menschen im Tal könnte dies aber auch eine noch längere Tunnellösung bedeuten – die aber eher Wunschvorstellung zu sein scheint. Jürgen Gunnemann machte klar, dass sein Auftrag ist, die fünf vorgestellten Tunnelvarianten auf Funktionalität und Umsetzbarkeit zu prüfen. Damit befasst sich auch der von der Bahn begründete regionale Arbeitskreis. Alles andere ist zurzeit nicht Teil der Planung – also auch kein Tunnel, der Oberwesel „mitbefreit“.

Jetzt sind die Bürger gefragt

Willi Pusch von der Bürgerinitiative Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn forderte die Menschen in der Region ausdrücklich dazu auf, politischen Druck auszuüben. „Sie sind gefordert, in den kommenden Wochen präsent zu sein“, erklärte Pusch. Am 10. Mai sei beispielsweise die nächste Demonstration gegen den Bahnlärm in Rüdesheim geplant. „Wir sind in einem frühen Stadium“, bekräftigte Jürgen Gunnemann seitens der Bahn. Noch ist demnach Zeit, an einer bestmöglichen Lösung fürs Tal zu arbeiten. vb