Am vergangenen Mittwoch, 16.03.2016, um 17:00 Uhr – gerade rechtzeitig nach (!) den Kommunal- und Landtagswahlen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – wurde der Entwurf des „Bundesverkehrswegeplans 2030“ (BVWP) von CSU-Verkehrsminister A. Dobrindt vorgestellt.
Zur Empörung vieler, die offensichtlich etwas ganz anderes erwartet hatten, findet sich für das Mittelrheintal weder das Bauvorhaben eines „Westerwald – Taunus – Tunnels“ noch ein Umgehungstunnel „Oberwesel – St.Goar“ in dem neuen „wahrhaft bahn-brechenden Werk“ des CSU-Ministers.
Im Gegenteil: Das Mittelrheintal soll angeblich auch noch „Kapazitätsreserven“ aufweisen ! (Ausschnitt aus dem BVWP, zum Vergrößern bitte anklicken):
Landes- und Bundespolitiker – und in der Folge wohl auch viele lokale Politiker – hatten die Erwartungshaltung der Bürger und ihrer zahlreichen -Initiativen offenbar in Unkenntnis der unglaublichen Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz eines Herrn Dobrindt sehr hoch geschraubt.
Das Entsetzen und die Empörung sind nun groß: vom „Schlag ins Gesicht“ (R.Lewentz) ist im politischen Lager die Rede, von „Frechheit gegenüber der Bevölkerung“ sowie „Enttäuschung und Verärgerung“ bei einigen Bahnlärmkritikern, die in der Vergangenheit offenbar glaubten, durch eine enge Zusammenarbeit mit der DB AG und ihren unterschiedlichen Lobbyorganisationen dem gemeinsamen Anliegen besser Gehör verschaffen zu können.
Stellvertretend für das berechtigte Entsetzen und die politische Vertrauenskrise, der sich die Bürger in der Region Mittelrheintal nun ausgesetzt sehen, möchten wir nachfolgenden den Artikel des „WIESBADENER KURIER“ vom 18.03.2016 wiedergeben:
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Anfang Artikel:
Tiefe Enttäuschung im Mittelrheintal
Wiesbadener Kurier, 18.03.2016 Von Barbara Dietel
BUNDESVERKEHRSWEGEPLAN:
Bürgerinitiativen gegen Bahnlärm sind sauer auf die Politiker / Keine Entlastung vom Güterverkehr in Sicht
RHEINGAU – Im Mittelrheintal ist die Enttäuschung riesengroß, dass keine der drei angemeldeten Alternativstrecken im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans im „vordringlichen Bedarf“ ist, also keine Chance haben, in absehbarer Zeit realisiert zu werden. „Für das Mittelrheintal ist das ein schwarzer Tag“, erklärte Karl Ottes, Welterbedezernent und Sprecher des Rheingau-Bundes gegen Bahnlärm. Der Situation der Menschen im Rheintal, die unter dem Bahnlärm leiden, werde in keiner Weise Rechnung getragen, ärgert sich Ottes über die Politiker jeglicher Couleur, die zwar viel redeten, aber wenn es darauf ankomme, nicht handelten.
Dass der Bundesverkehrswegeplan die enorme Lärmbelastung im Mittelrheintal ignoriere, sei auch fehlender Respekt der Bundesregierung gegenüber dem Welterbestatus, so Ottes. Bereits bei der Anerkennung habe die Unesco auf das Problem hingewiesen. Es gehe um die Gesundheit der Menschen, den Tourismus als Haupteinnahmequelle und um den Erhalt einer der schönsten Kulturlandschaften Deutschlands, erklärte Willi Pusch, Vorsitzender der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn. Eine große Chance sei vertan, den Menschen und der gesamten Region eine erträgliche Zukunftsperspektive aufzuzeigen.
Der geplante und als vordringlich eingestufte Ausbau der vorhandenen Strecke Hagen-Siegen-Gießen bringe angesichts der gleichzeitig angestrebten 30 oder mehr Prozent Steigerung im Schienengüterverkehr keine wirkliche Entlastung, so der Vorsitzende von Pro Rheintal, Frank Gross. Die ausgebaute Strecke könne lediglich einen Teil des zusätzlichen Verkehrs aufnehmen. Zudem sei die Bahnstrecke wegen Steigungen für den schweren Güterverkehr nur begrenzt tauglich. Der Hinweis auf langfristige Projekte, die „weiter geprüft“ werden sollten, seien eine Frechheit gegenüber der Bevölkerung so Gross. Denn längst lägen Studien vor, die dafür keine Berechtigung sehen.
Dass sich der Lärm im Mittelrheintal nun durch mehr laute Güterzüge noch erhöhen wird, bezeichnet auch der rheinland-pfälzische Europaabgeordnete Norbert Neuser als Zumutung. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Alternativstrecke möglicherweise durch die Europäische Union gefördert werden könne. Mit dem Programm „Connecting Europe Facility“ sei beispielsweise der Neubau der Betuwerroute vom Rotterdamer Hafen zur deutschen Grenze massiv gefördert worden, wie das Mittelrheintal ein Bestandteil des europäischen Schienengüterverkehrskorridors von Rotterdam nach Genua.
Dass der Lärm längst kritische Grenzen erreicht hat, zeichnet seit Monatsanfang eine weitere Lärmmessstation an Diehls Hotel in Koblenz-Ehrenbreitstein auf, die die Firma GfS aus Hofheim für drei Monate kostenlos zur Verfügung stellt, so Wolfgang Schneider von der BI gegen Bahnlärm. Im Gegensatz zu vielen anderen Anlagen vereine sie das Schallereignis direkt mit dem vorbeifahrenden Zug. Mittels Sensoren können die Zuglänge und die Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Zuges erfasst und zugeordnet werden. Alle Daten sind mit Verzögerung von wenigen Minuten auf dem Server abzurufen. Zudem ist die Wiedergabe des Schallereignisses möglich, man könne sich also die vorbeifahrenden Züge im Nachhinein anhören und die dazu gehörigen Daten exportieren, so Schneider.
Hoffen auf Bürgerproteste
Die Bürgerinitiativen werden nicht aufstecken, kündigte Ottes an, der hofft, dass es bei der Beteiligung der Bürger am Bundesverkehrswegeplan viel Protest gegen die fehlende Entlastung des Mittelrheintals gibt. Dass doch noch eine Entlastungsstrecke in den „vordringlichen Bedarf“ kommt, sei zwar theoretisch möglich, praktisch glaubt Ottes aber daran nicht. Das könne nur die Politik richten. Und der müsse das Volk mehr Druck machen. Zum Beispiel bei der nächsten Demo gegen Bahnlärm am 3. September, allerdings nur mit weit mehr Teilnehmern als bisher.
Ende Artikel_
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Wie geht es nun weiter in Sachen „BUNDESVERKEHRSWEGEPLAN“ ?
Hier der vom Bundesverkehrsministerium angekündigte Ablaufplan:
Zeitplan der geplanten „Abwicklung“ des BVWP:
Datum | |
16. März 2016 | Vorstellung Referentenentwurf |
21. März 2016 | Auslegungs-/Online-Veröffentlichungsbeginn |
21. März 2016 | Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung |
2. Mai 2016 | Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung |
Sommer 2016 | Kabinettsbeschluss |
September 2016 | Befassung des Bundesrats mit BVWP |
Ende September 2016 | Beginn des parlamentarischen Verfahrens zu den Ausbaugesetzen |
24.-26. Oktober 2016 | Sondersitzungen des Verkehrsausschusses |
7.-9. November 2016 | öffentliche Anhörungen |
November 2016 | Abschlussberatungen im Verkehrsausschuss |
Dezember 2016 | 2. Lesung der Ausbaugesetze im Bundestag |
Januar 2017 | 3. Lesung und Beschluss der Ausbaugesetze im Bundestag |
Einsicht in Details des BVWP ist ab Montag, 21.03.2016 unter diesem Link möglich:
Mithilfe einer Deutschlandkarte wird die Lage der im BVWP enthaltenen Verkehrsprojekte gezeigt. Die Nutzerin oder der Nutzer wählt zunächst, welcher Verkehrsträger jeweils auf der Karte erscheinen soll. Wird ein Projekt auf der Karte angeklickt, gelangt man zum Projektdossier mit den Bewertungsergebnissen. Alternativ gelangt man über ein Suchfeld (z.B. nach Projektnummer, Bundesland, Ortsname) zu den Projektdossiers. Weiterhin ist eine Liste der ausgeschiedenen Projekte („Kein Bedarf“) dargestellt !
ES WIRD NUN ENTSCHEIDEND DARAUF ANKOMMEN, DASS ZAHLREICHE BÜRGER IM MITTELRHEINTAL IM ZEITRAUM 21.03.2016 – 02.05.2016 IHRE EINSPRÜCHE GELTEND MACHEN UND VEHEMENT DIE ENTLASTENDEN TUNNELLÖSUNGEN FORDERN !
Wir werden weiter diesbezüglich informieren !
Erkenntnis der Woche:
Die Einführung von „Flüsterbremsen“ wird wenig ändern, da diese lediglich eine mittlere Absenkung des Schalldruckpegels von 2,5 bis 3 dB(A) bewirken, jedoch eine Gesamtpegelabsenkung von mindestens 30 dB(A) notwendig wäre, um gesundheitliche Schäden durch den Güterverkehrslärm bei der Bevölkerung im Mittelrheintal einzugrenzen. Der ohnehin geringe Effekt von sog. „Flüsterbremsen“ wird durch eine weiterhin stark zunehmenden Güterzugfrequenz ( 30 – 50% nach Öffnung des Gotthard-Tunnels ) bei weitem „über-kompensiert“ !
( Bahnlärm-Kongress Boppard, 2015)