Umfahrung von Oberwesel rückt in greifbare Nähe

Die Diskussion dauerte so lange wie keine andere zuvor. Erst gegen 20.20 Uhr kamen die ersten Teilnehmer der 8. Arbeitskreissitzung aus dem Kulturhaus, die letzten erst nach 21.00 Uhr. Sie wurden – in bereits guter Tradition – von der Bürgerinitiative „Oberwesel 22 – Zukunft trotz Bahn“ mit einem Glas Wein empfangen. Der Tenor der Gesprächsergebnisse war eindeutig: Daumen hoch für „pink“!

Tatsächlich legten diesmal DEUTSCHE BAHN AG und IFOK die Ergebnisse des Monate dauernden Prüfverfahrens der Tunnelvariante „pink“ auf den Tisch, mit dem deutlichen Ergebnis: Ein etwa 8 Kilometer langer Bahntunnel zwischen dem nördlichen Ende von St.Goar und dem südlichen Ortsausgang von Oberwesel ist in allen Details – auch technisch – realisierbar.

Das Analyseprofil der umfahrenden Tunnelvariante beinhaltete Fragen zu geographischen und topographischen Gegebenheiten, beurteilte Naturschutz, Logistik und Technik. Und nun steht fest, dass die Umfahrung von Oberwesel mittels eines „längeren“ Tunnels gebaut werden könnte. In Sachen Naturschutz ist die Variante „pink“ offensichtlich völlig unbedenklich: Keine Eingriffe in das Vogelschutzgebiet des Mittelrheintals, in Natura-2000-Gebiete, in Biotope und FFH-Gebiete. Dagegen gibt es für die noch in der Diskussion befindlichen Variante „orange“ nach Unterlagen, die der BI Oberwesel22 vorliegen, eine Reihe von schützenswerten Tierarten, die bei einem Tunnelbau im Bereich des Oelsberg bedroht wären. Die Ergebnisse einer in den Jahren 2002 bis 2005 und 2012 durchgeführten Untersuchung eines renommierten Bonner Biologen belegen mehrere bedrohte Tierarten im Hang und auf der Hauptterrasse des Oelsberges. Diese Unterlagen wurden der DB AG von der Bürgerinitiative „Oberwesel 22“ übergeben.

In der Sitzung konnte weiterhin eine mögliche Gefährdung eines der Gewerbebetriebe Oberwesels durch die Streckenführung der Variante „pink“ ausgeräumt werden, da es sich bei dem betroffenen Grundstück lediglich um einen Lagerplatz handelt, von dem wiederum nur ein Teilstück von den Baumaßnahmen betroffen wäre. Generell sei die vorgelegte Streckenführung – so die DB AG – eine erste Planung und könne in Absprache mit den Betroffenen nach Bedarf noch verändert werden.

Betonung fanden in der Sitzung auch die durch die Variante „pink“ zu erwartenden positiven Nebeneffekte, die sich für Oberwesel durch einen potentiellen Wegfall der Bahntrasse vor der Stadt ergeben würden. Da sind beispielsweise die Entlastung der Innenstadt vom LKW-Durchgangsverkehr insbesondere bei Hochwasser zu nennen, ebenso wie ganz neue Entwicklungspotentiale für das Gewerbegebiet Oberwesels, ganz abgesehen von der Verbesserung der Wohnqualität in der Stadt, der unter anderem durch den Zuglärm zur Zeit die Bewohner und die Touristen davonzulaufen drohen.
„Nur die Umfahrung von Oberwesel kann alle Voraussetzungen für eine „sich fortentwickelnde Stadt- und Kulturlandschaft“ im Sinne des Welterbes an der Loreley bieten“, so Emil Haedler, Professor für Architektur an der FH Mainz, Teilnehmer dieser Arbeitskreissitzung und Kenner der Problematik Oberwesels.

Besonders stark gemacht hatten sich diesmal auch die Gastronomen und Hoteliers der Stadt Oberwesel, die mit eindringlichen Plakaten gemeinsam mit vielen Oberweseler Bürgern und Mitgliedern der Bürgerinitiative „Oberwesel 22 – Zukunft trotz Bahn“ vor dem Kulturhaus das Augenmerk auf die einzig akzeptabel Lösung des Bahnproblems in Oberwesel gelenkt hatten. Eine eindrucksvolle Untermalung des „Bürgerbegehrens“ brachte der authentisch laute Bahnlärm, der unüberhörbar aus 2 großen Lautsprechern durch die Rathausstraße donnerte. „Genauso hört es sich bei uns im Hause an, wenn die Züge vorbeirattern“, so die einhellige Meinung vieler Beteiligter. „Völlig unvorstellbar, dass das noch mehr Lärm werden soll. Dann können wir hier nicht mehr wohnen. Aber kaufen will unsere Häuser dann auch niemand mehr“, beschweren sich Oberweseler.

„In welchem Verhältnis stehen da etwaige Mehrkosten für die Umfahrung von Oberwesel zu teuren Strukturprogrammen, die im anderen Fall in wenigen Jahren aufgelegt werden müssten um das Aussterben einer intakten Stadt wie Oberwesel zu verhindern“, so der Vorstand der BI. „Langfristig gesehen spart die DB AG sogar mit der scheinbar „teureren“ Variante pink“, so der Vorsitzende der BI, Harald Steppat. „Extrem kostenintensive Hangsicherungsmaßnahmen über einem 450 m breiten Tunnelportal im geologisch problematischen Oelsberg würden entfallen, in der Stadt Oberwesel wird die Unterhaltung von zehn Brückenbauwerken im Hochwasserbereich und zwei Bahnübergängen überflüssig, teure Lärmschutzmaßnahmen in der denkmalgeschützten Stadt können eingespart werden“, so der Ingenieur.
Auch die Vertreter der verschiedenen Gremien der Stadt Oberwesel sind sich einig:
„Nur mit „pink“ ist Weitsicht für unsere Stadt angesagt“.

Am 09. Oktober findet die nächste, voraussichtlich letzte, wohl aber entscheidende Arbeitskreissitzung statt. Der Veranstaltungsort wird von DEUTSCHE BAHN AG / IFOK noch mitgeteilt.