„Ärger um Dobrindts Mega-Baustelle“

NACHFOLGEND EIN PRESSEARTIKEL ZUM BVWP 2030 AUS „BILD AM SONNTAG“ V. 01.MAI 2016.  IN DEM ARTIKEL KOMMT U.A. AUCH DER RECHTSANWALT DER BI „OBERWESEL 22 – ZUKUNFT TROTZ BAHN ! E.V.“,  DR. CLEMENS ANTWEILER, ZU WORT
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01.05.2016 – BILD AM SONNTAG

BUNDESVERKEHRSWEGEPLAN – Ärger um Dobrindts Mega-Baustelle

Von FLORIAN ZERFASS

Es ist eines der gewaltigsten Planverfahren der Bundesregierung: Der Bundesverkehrswegeplan. Auf zehn Jahre legt die Regierung darin fest, in welche Autobahnen der Bund investieren will, welche Zugverbindungen ausgebaut werden sollen, in welche Wasserwege Gelder fließen.

1000 Projekte! 265 Milliarden Euro! Darum geht es beim Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030, den der zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (45, CSU) vorgelegt hat. Am Montag läuft die Frist für Beschwerden von Bürgern ab – diese dürfen sich erstmals an der Planung beteiligen. Eine gesetzliche Verpflichtung.

Doch es gibt Ärger um die Mega-Planungsbaustelle. Kurz vor Fristablauf sind „mehrere tausend Stellungnahmen aus dem gesamten Bundesgebiet“ eingegangen. Das teilte das Verkehrsministerium auf Anfrage von BILD am SONNTAG mit.

In einer Einwendung, die BILD am SONNTAG vorliegt, beschwert sich eine Düsseldorfer Bürgerinitiative über die Planungen für den Rhein-Ruhr-Express (RRX), ein Netz von sechs Regionalverkehrsverbindungen im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen. Für die NRW-Landesregierung ein Projekt von „landesweiter Bedeutung“ – die Linien sollen künftig Großstädte wie Köln, Düsseldorf, Bonn oder Aachen mit den Ruhrgebietsmetropolen Essen, Bochum oder Dortmund verbinden.

Die Kritik der Bürgerinitiative hat es in sich: Die „strategische Umweltprüfung“, auch sie ist gesetzlich vorgeschrieben, ist nach ihrer Auffassung völlig untauglich! Vorgeschrieben ist, dass Alternativen ermittelt werden, und dass diese beschrieben und bewertet werden.

Bedeutet: Bevor neue Gleise gebaut werden dürfen ist zum Beispiel zu prüfen, ob die Strecke mit einem anderen Verlauf auch mit weniger schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt gebaut werden könnte. Dobrindts Ministerium hat einen separaten Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan vorgelegt. Doch der Umweltbericht nimmt diese Prüfungen gar nicht vor, so der Vorwurf der Bürgerinitiative.

Ihr Anwalt, der Düsseldorfer Jurist Clemens Antweiler, sagt zu BILD am SONNTAG: „Die strategische Umweltprüfung zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans genügt nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die zwingend vorgeschriebene Prüfung von vernünftigen Alternativen fehlt völlig.“

Wenn die strategische Umweltprüfung ganz fehlt oder falsch durchgeführt wurde, ist das eine Steilvorlage für Gegner von Verkehrsprojekten. Da nämlich ohne Prüfung von Alternativen die Planungsgrundlage unvollständig wäre, könnte die Planung in den folgenden Verfahrensschritten mit Klagen angegriffen werden.

Selbst wenn davon am Ende nicht alle erfolgreich sind, riskiert Dobrindt ein Planungschaos. Denn auch bei Klagen, die am Ende erfolglos sind, können Verzögerungen und Kostensteigerungen entstehen. Dobrindts Ministerium äußert sich auf BILD am SONNTAG-Anfrage nicht zu der Kritik der Bürgerinitiative.

Unterstützung bekommen die Kritiker vom Umweltbundesamt. Auf BILD am SONNTAG-Anfrage kritisiert die Behörde den Entwurf Dobrindts scharf. „Der Planentwurf enthält eine relativ hohe Anzahl an nicht bewerteten Verkehrsprojekten und Projektbündeln“, schreibt das Bundesamt an BILD am SONNTAG. „Die Darstellung der Umweltwirkungen ist dadurch unvollständig. Dies beeinträchtigt die Nachvollziehbarkeit und Validität der Aussagen des Umweltberichts.“

Fazit: „Insgesamt bestehen beim Umweltbundesamt Zweifel daran, dass das Verfahren den Anforderungen an eine gute Strategische Umweltprüfung umfassend genügt.“

Schon in der vergangenen Woche hatte das Bundesamt kritisiert, dass der Entwurf zu viele Gelder für den Straßenbau vorsehe und zu wenige Investitionen in die Schiene. Ambitionierte Klimaschutzziele ließen sich so nicht erreichen.

Nach dem Auslaufen der Frist für Bürgerbeschwerden am Montag, so teilte das Verkehrsministerium mit, soll ein Bericht zu den Einwendungen erstellt und veröffentlicht werden. Bislang ist geplant, dass das Bundeskabinett den Verkehrswegeplan im Juli beschließt, im Herbst soll er dann im Bundestag behandelt werden.

Das Umweltbundesamt hält allerdings schon die bis Montag laufende Frist für viel zu kurz. Nur sechs Wochen hatten Bürger Zeit, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Das ist aus Sicht des Bundesamts „nicht ausreichend“, da der Plan sehr komplex und umfangreich ist. Eine Frist von zehn Wochen wäre für das Bundesamt angemessen gewesen.

Jetzt fordern die Umweltexperten auch in diesem Punkt Nachbesserungen von Dobrindt – und wollen, dass Bürger mehr Zeit für Stellungnahmen bekommen. „Das Umweltbundesamt empfiehlt daher“, schreibt die Behörde an BILD am SONNTAG, „die Frist entsprechend über den 02. Mai 2016 hinaus zu verlängern.“