Bahn will Transparenz bei der Messung von Bahnlärm verhindern!

Pressemitteilung des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums v. 05.12.2016:

Der rheinland-pfälzische Umwelt-Staatssekretär Dr. Griese fordert die DB Netz AG zur Transparenz bei der Messung des Bahnlärms im Mittelrheintal auf.

Die DB Netz AG hat angekündigt, die Messstation in Leutesdorf zur Ermittlung des gesundheitsschädlichen Bahnlärms im Mittelrheintal abzubauen.

„Diese Nachricht ist besonders pikant, da wir das Unternehmen einerseits mehrfach aufgefordert haben, uns die Messdaten zur Verfügung zu stellen. Andererseits verweigert uns die DB Netz AG die Unterstützung, unsere eigenen Messungen zu verbessern. Durch den Abbau der Station wird uns nun die Möglichkeit genommen, den tatsächlichen akustischen Zustand der Güterzüge im Mittelrheintal nachzuweisen“, sagte Griese heute in Mainz.

Das Umweltministerium fordere das Unternehmen nun auf, umgehend zur Transparenz bei der Ermittlung des Bahnlärms an dieser wichtigen Strecke beizutragen, erklärte der Staatssekretär.

Die Messtechnik der Station Leutesdorf ist in der Lage, für jeden einzelnen Wagen der vorbeifahrenden Güterzüge festzustellen, ob die Bremsen bereits auf Flüsterbremsen umgerüstet sind. Auch lässt sich ermitteln, ob einzelne Räder Schäden aufweisen, die zu zusätzlichem Lärm führen.

„Um zu überprüfen, wie viele Güterwaggons umgerüstet wurden, wollen wir unsere Messstation in Oberwesel mit dieser Messtechnik ausbauen“, erläuterte Griese. „Die DB Netz AG verweigert uns jedoch auch nach mehrfacher Aufforderung die Umrüstung dieser Station.“ Als Eigentümer des Schienennetzes obliegt die Zustimmung dem Unternehmen.

„Wir akzeptieren es nicht, dass die DB Netz AG einerseits die Messstation in Leutesdorf abbaut und uns die Bahnlärmdaten nicht übermittelt sowie andererseits bei der Umrüstung unserer Station in Oberwesel in Verweigerungshaltung verfällt„, sagte der Umweltstaatssekretär.

Der Bahnlärm von Güterzügen beeinträchtige die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen im Mittelrheintal. Daher setzt sich das Umweltministerium seit langem für den Lärmschutz entlang der Nord-Süd-Linie ein.

Zum Hintergrund:

Im Dezember 2015 hatte eine Mehrheit der Länder im Bundesrat der rheinland-pfälzischen Initiative für mehr Lärmschutz an der Schiene zugestimmt und die Bundesregierung aufgefordert, endlich wirksame gesetzliche Maßnahmen zur Reduzierung des Bahnlärms auch an Bestandsstrecken zu ergreifen. Das Umweltministerium forderte die Bundesregierung unter anderem auf, die im Koalitionsvertrag versprochene Gesetzesänderung umzusetzen, wonach ab Ende 2020 keine lauten Güterwagen mehr in Deutschland und damit auch nicht im Mittelrheintal eingesetzt werden dürfen, und dieses Verbot durch Messstationen zu überwachen.

Kommentar der BI „OBERWESEL 22“:

Offenbar soll mit dem ABBAU der „selektiven“ Lärmmeßstation Leutesdorf eine wirksame meßtechnische Kontrolle der Umrüstraten auf sogenannte „Flüsterbremsen“ und der damit behaupteten Lärmminderung verhindert werden !

Dass die DB Netz AG nun auch noch die technische Aufrüstung der landeseigenen Meßstation in Oberwesel verhindern will, ist ein SKANDAL ersten Ranges !!!

WELTKULTURERBE

Und hier kann man nachlesen, warum solche Messstationen offenbar „ein Dorn im Auge“ der Bahn darstellen:

Artikel der „Rhein Zeitung“  vom 24.02.2016

Kampf gegen Bahnlärm: Messstelle fühlt Rädern auf den Zahn

In Leutesdorf gibt es eine in Deutschland bisher einzigartige Messstelle, bei der eine ganze Reihe von Daten erfasst werden, über 60 Grenzwerte an der Zahl. Dabei werden die Mängel eines Zuges bis aufs kleinste Detail sichtbar.

Von unserer Redakteurin Christina Nover

Schwer donnert ein Güterzug über die Schienen durch Leutesdorf. Nichts Besonderes. Doch an einer ganz bestimmten Stelle passiert etwas Außergewöhnliches: Die Mängel des Zuges werden entblößt – bis aufs kleinste Detail. Denn in Leutesdorf gibt es eine in Deutschland bisher einzigartige Messstelle, bei der eine ganze Reihe von Daten erfasst werden, über 60 Grenzwerte an der Zahl. Sensoren registrieren radgenau, wo sich Unrundheiten und Flachstellen befinden – Beschädigungen und Abnutzungserscheinungen, die für eine Erhöhung des Lärmpegels sorgen. Die Wagen werden identifiziert, es kann festgestellt werden, wem sie gehören und ob sie schon umgerüstet sind.

Nur wenige Sekunden, nachdem die Züge die Messstelle passiert haben, kann Siegfried Pieper, der Geschäftsführer von Innotec Systems, das die entsprechende Technik entwickelt hat, die Daten auslesen. Auf einem Bildschirm in einem kleinen Serverraum am Rande der Strecke sieht Pieper, wo die Schwächen der Züge liegen. Informationen, die bares Geld wert sind, deren Potenzial aber bei Weitem noch nicht genutzt wird.

Seit drei Jahren gibt es die Messstelle in Leutesdorf schon – doch erst in den vergangenen paar Monaten kam langsam ans Licht, was sie alles kann. Politiker besuchten die Station und zeigten sich erstaunt darüber, welche Möglichkeiten sie bietet. „Diese Anlage weiß mehr, als der Bahn lieb ist“, meint der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel, der auch Mitglied der parlamentarischen Gruppe „Bahnlärm“ ist.

Die Messstelle von Siegfried Pieper erfasst über 60 Grenzwerte.

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Foto: Christina Nover

Zwar ist das Thema Lautstärke im Grunde nur ein Abfallprodukt bei der Messung – doch genau diese Information könnte Pieper und seiner Technik nun den gewünschten Durchbruch bringen. Ende Januar erhielt der Unternehmer aus Eppelsheim (Kreis Alzey-Worms) im Rahmen des Innovationspreises Rheinland-Pfalz eine Anerkennung für die Entwicklung von „Stress- und Lärm-Monitoring an Schienenfahrzeugen und Gleisanlagen“. Das System stelle „ein wichtiges Werkzeug zur Lärmreduktion im Schienenverkehr“ dar, lautete die Begründung.

Pieper ist klar, dass er mit seinem System in Zeiten immer stärkerer Lärmdiskussionen einen Nerv getroffen hat. „Ich wusste, dass die Entwicklung in die Richtung geht“, sagt der gelernte Maschinen- und Anlagenmeister selbstbewusst. „Das Thema ist politisch hochaktuell, da herrscht ein extremer Handlungsdruck in den Ländern.“

In Kürze will Pieper die Anlage so ausbauen, dass auf beiden Fahrtrichtungen Daten erhoben werden können. Seinen Angaben zufolge würden 15 Standorte mit solchen zweigleisigen Messstellen ausreichen, um 70 Prozent des Schienenverkehrs zu überwachen, der durch Deutschland fährt. Da die Wagenhalter großes Interesse an den Daten haben, könnten sich die Anlagen innerhalb von einem Jahr refinanzieren. Und: „So eine Anlage ist innerhalb von drei Tagen installiert“, erklärt Pieper. Aus seiner Sicht alles wesentlich einfacher und auch kostengünstiger als On-Board-Systeme, die derzeit diskutiert werden.

Regional wird Piepers Technik schon erfolgreich eingesetzt. So beispielsweise bei der S-Bahn in Berlin, Frankfurt und Stuttgart. Aber auch im Ausland: „Wir überwachen den Schienenverkehr in ganz China und Weißrussland“, sagt Pieper stolz. Im Zusammenhang mit der Umrüstung auf die K-Sohle sei es sinnvoll, das Monitoring auch flächendeckend in Deutschland einzusetzen. Denn: Die Waggons mit den sogenannten „Flüsterbremsen“ sind zwar wesentlich leiser, aber auch anfälliger für Schäden und dementsprechend wartungsintensiver. „Je früher die Besitzer über Schwachstellen Bescheid wissen, desto besser können sie Werkstattaufenthalte planen und desto günstiger wird es für sie“, sagt Pieper.

Die große Frage ist nur: „Wer hat die Herrschaft über die Daten?“, so Erwin Rüddel. Mit der vorhandenen Technik wäre es problemlos möglich, die Besitzer lauterer Züge zu höheren Abgaben zu zwingen. „Wir könnten wagengenau Trassenpreise abrechnen“, sagt Rüddel weiter. Das wäre insbesondere auch interessant, wenn es um ausländische Wagenbesitzer geht, die nicht zur Umrüstung verpflichtet werden können. Allerdings könnten die Daten auch unangenehme Wahrheiten offenbaren – beispielsweise, wenn Wagenbesitzer mit dem Umrüsten hinterherhinken oder wenn Schäden ursächlich für einen Unfall sind.

Nachtrag:

SWR-Landesschau v. 13.12.2016: Keine Messstelle, kein Lärm?

https://swrmediathek.de/player.htm?show=3b04b570-c169-11e6-8e1e-005056a12b4c

SWR-Landesschau v. 07.12.2016: Bald leise im Rheintal?

https://swrmediathek.de/player.htm?show=212508c0-bcb0-11e6-a5fb-005056a10824