Wiedereinführung des „Schienenbonus“ auf Umwegen?

Die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. (BVS) hat fristgerecht
zum 9.2.2017 Einspruch beim Deutschen Institut für Normung (DIN)
gegen eine geplante Änderung der DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau –
Teil 2: Rechnerische Nachweise – eingelegt. Diese Norm regelt die
Anforderungen an den baulichen Schallschutz, d.h. insbesondere,
welche Lärmschutzfensterklasse erforderlich ist.

Mit dieser Änderung soll für Schienenlärm ein Abschlag von 5 dB(A)
eingeführt werden, der mit der angeblich besonderen
Frequenzzusammensetzung des Schienenlärms begründet wird. Falls diese
Änderung in die Endfassung der DIN 4109 gelangt, müssten an Häusern,
die an Bahnlinien gebaut werden, nur noch Lärmschutzfenster, die eine
Schallschutzklasse schlechter als eigentlich erforderlich sind,
eingebaut werden.

Die BVS wendet sich in ihrem Einspruch unter Verweis auf zahlreiche
wissenschaftliche Fakten gegen den Versuch einer Wiedereinführung des
abgeschafften Schienenbonus.

Der Hintergrund: Das Bundeseisenbahnvermögen und die DB Netz AG
wollen Flächen entlang der Bahntrassen, die für Bahnzwecke nicht mehr
benötigt werden, maximal gewinnbringend für Wohnbauzwecke verkaufen.
Hohe Schallschutzauflagen kosten Geld und mindern daher den
Verkaufswert. Daher haben beide ein Interesse daran, die
Anforderungen und die Kosten für den passiven Lärmschutz möglichst
weit herunterzudrücken – auf Kosten der Gesundheit der künftigen
Wohnbau-Bewohner.

Nachfolgend die Pressemitteilung der BVS ( Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V.):

Der Schienenbonus: abgeschafft, aber wie Phönix aus der Asche auferstanden

Die deutsche Eisenbahnindustrie ist genauso innovativ wie die deutsche Automobilindustrie. Doch beide setzen ihre Kreativität nicht ein, um lärm- und emissionsarme Fahrzeuge auf die Straße bzw. die Schiene zu bringen, sondern um die Öffentlichkeit darüber zu täuschen, welche Lärm- und Dreckschleudern in Wirklichkeit unterwegs sind.

Die gleichen Tricks, mit denen die Pkw-Hersteller die Stickoxid-Emissionen der Dieselfahrzeuge zum Schaden von Menschen und Umwelt schönrechnen, setzt auch die Eisenbahnlobby ein, um den gesundheitsschädlichen Bahnlärm zu verharmlosen und einen wirksamen, aber teuren Schutz der Bevölkerung zu verhindern: Mess- und Berechnungsverfahren werden so manipuliert, dass nur Idealzustände betrachtet werden, aber nicht die dröhnende Realität ”viereckiger” Räder auf ungepflegten deutschen Schienen. Um das zu erreichen, treten oft wirtschaftlich mit der DB AG verflochtene Gutachter in den Normausschüssen von DIN, VDI und ISO auf, um unter dem Deckmantel einer angeblichen Unabhängigkeit ökonomische Interessen der Eisenbahnlobby zu verfolgen.

Im Ausschuss zur Änderung der DIN 4109, einer Norm u.a. zur Berechnung von Schallschutzfenstern, wurde im Dezember 2016 überraschend ein Änderungsvorschlag eingebracht, der im Ergebnis nichts anderes als der Versuch der Wiedereinführung eines Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A) ist. Begründet wird dies mit angeblichen frequenzmäßigen Besonderheiten des Schienenlärms – das gleiche Argument wurde bei der Einführung des Schienenbonus vor 40 Jahren vorgebracht, wissenschaftliche Nachweise dafür fehlen.

Der 1. Vorsitzende der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. (BVS), Alexander Führer: ”Die Privilegierung des Schienenlärms in Form des sogenannten Schienenbonus wurde vom Bundestag zum 1.1.2015 abgeschafft, weil sie sachlich nicht mehr berechtigt ist. Wird der Schienenbonus beim passiven Lärmschutz durch die Hintertür wieder eingeführt, dann werden die Menschen in diesen Wohnungen nicht ausreichend vor dem Schienenlärm geschützt; Tausende zusätzlicher Lärmtoter würden die Folge sein. Die BVS hat daher beim DIN-Normenausschuss Bauwesen Einspruch gegen diese Änderung erhoben.”

Es wird immer klarer, dass die Eisenbahnunternehmen und die Eisenbahnindustrie gar kein wirkliches Interesse an der Beseitigung des Schienenlärms haben, sondern weiterhin den Weg gehen wollen, durch Lobbyarbeit bei Norm- und Gesetzesgebern den Bahnlärm künstlich kleinzurechnen und zu bagatellisieren und den Betroffenen alle Abwehrrechte zu nehmen. So gräbt sich die ”Eisenbahn” aber ihr eigenes Grab, weil sie in wenigen Jahren gegenüber der Elektromobilität auf der Straße keine Klimavorteile mehr aufweist, aber weiterhin die große Bürde einer ”Achillesferse” Schienenlärm.

Die BVS setzt sich seit über 20 Jahren gemeinsam mit ihren Mitgliedern für eine
Verbesserung des völlig ungenügenden Schutzes der Anwohner von deutschen Bahngleisen vor Lärm, Erschütterungen und anderen Immissionen ein.

Download „Pressemitteilung“: BVS-Pressemitteilung

Download „Einspruchspapier“: BVS-Einspruch