63 Mio.€ für Bahnlärmschutz – ein Durchbruch?

In der vergangenen Woche hat der „Beirat Leiseres Mittelrheintal“ eine Absichtserklärung veröffentlicht, nach der in den kommenden 5 Jahren insgesamt 63 Mio.€ in Maßnahmen zur Verringerung des Bahnlärms im Mittelrheintal investiert werden sollen.

Artikel in der Rhein-Zeitung v. 09.12.2016: rz-09-12-2016

Vertreter der Bahn und einzelner Bürgerinitiativen feiern diese „Absichtserklärung“ gemeinsam als „Meilenstein und Großen Erfolg“.

Was jedoch ist realistisch gesehen von dem geplanten Maßnahmenpaket zu erwarten ?

Von den 63 Mio. sollen laut der „Machbarkeits-Untersuchung Mittelrhein“ v. 04.09.2014 nur etwas weniger als die Hälfte für Schallschutzwände (SSW) ausgegeben werden, der Rest für die nahezu unhörbaren Placebo-Maßnahmen Schienen- stegdämpfer (SSD), Akustisches Schleifen (AS), und Schienenschmiereinrichtungen (SSE). Mit den letztgenannten Maßnahmen können lediglich Pegelreduzierungen von weniger als 3 dB(A) erreicht werden. Hierzu eine Anmerkung: einige dieser Maßnahmen, (wie z.B. SSD) sind bereits seit Jahren im Stadtbereich Oberwesel umgesetzt, ohne dass sich deshalb die Lärmsituation entscheidend verbessert hätte! Andere wirksamere Maßnahmen, wie z.B. Schallschutzwände, lassen sich in der erforderlichen Höhe (4 bis 6 Meter!!!) wegen des Weltkulturerbe-Status im Mittelrheintal nicht umsetzen, oder erreichen wegen Talreflektionen und -echos nur eine äußerst eingeschränkte Wirkung.

Abb.: „Schallschutzmaßnahmen“ (zum Vergrößern bitte „anklicken“)

schallschutzmassnahmen

Die Gesamtwirkung des geplanten Vorhabens wird demzufolge äußerst bescheiden sein: die Anzahl der Anwohner, die nachts Schall-Immissionspegeln über 55 dB(A) ausgesetzt sind, reduziert sich damit nicht einmal auf die Hälfte, wobei weiterhin rund 30.000 Menschen zweifelsfrei gesundheitsschädlichen Lärmpegeln über 60 dB(A)
ausgesetzt sind und immer noch 5000 Menschen Nachtpegeln über 70 dB(A).
Wohlgemerkt:  Es handelt sich bei den o.g. Angaben um die „bahnfreundlichen“ Mittelungspegel, und nicht um die „aufwachreaktions-relevanten“ Maximalpegel !

Das als echten Erfolg zu verkaufen, ist reichlich realitätsfremd !

Abb.: „Schalldruckpegel“ (zum Vergrößern bitte „anklicken“)

schalldruckpegel

Abb.: „Immissionsgrenzwerte“ (zum Vergrößern bitte „anklicken“)

immissionsgrenzwerte

Viele Anwohner z.B. an der Mosel haben mit Placebo-Lärmsanierungsmaßnahmen bereits schlechte Erfahrungen gemacht: weite Teile des Moseltals gelten für Bahn und Gesetzgeber seit Durchführung vergleichbarer Lärmsanierungsprogramme seit Jahren als „lärmsaniert“. Mit ihrer damaligen Akzeptanz der Lärmsanierungspakete haben viele Moselaner nach dem Verständnis der DB AG ihre Einspruchs- und Klagemöglichkeiten gegen den ständig zunehmenden Bahnlärm weitestgehend aufgegeben – und das obwohl der Lärm auch im Moseltal durch den ständig zunehmenden Güterverkehr immer unerträglicher wird …

Sollte die Bahn mit den präsentierten „ Umfassenden Maßnahmen Leiseres Mittelrheintal“ nun eine ähnliche Strategie verfolgen und die betroffen Anwohner im Mittelrheintal auf diese Art und Weise zukünftig weitgehend „mundtot“ machen wollen? Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Lärmschutzbeauftragte der DB AG, Ines Jahnel – gegen besseres Wissen – die Folgen der Öffnung des Brennertunnels im RZ-Artikel bewusst herunterspielt und mit Blick auf das kommende Jahr nur (Zitat) „… eine sehr geringe Zunahme zwischen 0 und 1%…“ für den Güterverkehr voraussagt? Dass diese Aussage – wenn überhaupt – lediglich solange Geltung haben kann, wie der Ausbau der Engpassstrecke am Oberrhein den Abfluss des Brenner-Verkehrs in Richtung Rheintal noch behindern wird, bleibt offenbar mit Absicht unerwähnt. Sobald dann der Oberrhein-Ausbau abgeschlossen ist, wird nach Aussagen der Bundesregierung mit Zuwachsraten von ca. 43% bis zum Jahr 2030 zu rechnen sein.

Spätestens in Anbetracht dieser geplanten Schienenverkehrszunahme werden die von Frau Jahnel jetzt in Aussicht gestellten „Maßnähmchen“ nur noch Makulatur sein …

Auf die konkrete Nachfrage der RZ antwortete Frau Jahnel auch entsprechend ausweichend und sprach nur von (Zitat) „…Absichtserklärungen…, die in den nächsten Monaten und Jahren konsequent auf den Weg gebracht werden …“.

Wieder einmal 5 Jahre Zeit herausgeschlagen und die lärmgeplagten Bürger mit Hilfe allzu „kooperationswilliger“ Bürgerinitiativen auf einige, nur wenig wirksame Maßnahmen vertröstet ? Es wäre leider nicht das erste Mal !!!

Warum wird aktuell von der Bahn verkündet, dass die Lärmessstation in Leutesdorf abgebaut werden soll ? Warum wird eine Aufrüstung der landeseigenen Lärmmessstation in Oberwesel bereits seit längerer Zeit von der DB AG aktiv verhindert?

Einzige uns plausibel erscheinende Erklärung: Die Bahn will den „Erfolg“ ihrer Flüsterbremsen-Kampagne auf keinen Fall unabhängig kontrolliert sehen, sondern weiterhin mit eigenen „Schönwettermeldungen“ für „gute Stimmung“ im Rheintal sorgen !?

Die BI Oberwesel 22 fordert daher:

NACHTFAHRVERBOT für LAUTE GÜTERZÜGE bereits ab dem Jahr 2017, allerspätestens jedoch ab 2020 !

NACHTFAHR

Nachtrag:

SWR-Landesschau v. 13.12.2016: Keine Messstelle, kein Lärm?

https://swrmediathek.de/player.htm?show=3b04b570-c169-11e6-8e1e-005056a12b4c

SWR-Landesschau v. 07.12.2016: Bald leise im Rheintal?

https://swrmediathek.de/player.htm?show=212508c0-bcb0-11e6-a5fb-005056a10824